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Kloster St. Johann Müstair Kloster St. Johann Müstair

Liebe, Gehorsam und Zweifel

Wie schon so oft, in den letzten 50 Jahren, sitzt Schwester Agathe in Kontemplation in diesem schummerigen, kleinen Fensterplatz, auf einer der zwei Holzbänken, und schaut durch das kleine Fenster in die wunderschöne Natur und Berglandschaft, die ihr über all die Jahre so vertraut, und lieb geworden sind.

 

Obwohl die Sonne, den Garten, und den Platz mit der grossen Scheune vor dem Fenster in gleissendes Licht versetzt und die Vögel wie meistens um die Wette tirilieren, ist etwas anders als sonst. Sie wird von einer unerklärlichen Unruhe geplagt.

 

In zwei Wochen, am 5. Februar kann sie ihre goldene Profess feiern, doch irgendwie will nicht so recht die richtige Stimmung, ja Freude aufkommen.

 

Plötzlich sieht sie sich als junges quirliges Mädchen mit ihren acht Geschwistern auf der Wiese bei ihnen zu Hause herumtollen. Ja, sie Anna war ein hübsches, aufgewecktes und wissbegieriges Mädchen. Sie liebte die Natur und die Tiere, und das Spiel mit ihren Geschwistern. Nur zu schnell verging die schöne, wenn auch nicht immer einfache Kinderzeit.

 

Wie es damals üblich war, wurde ein Kind Gott geschenkt, war es nicht ein Junge der Theologie studieren konnte um Geistlicher zu werden, wurde ein Mädchen in ein Kloster gegeben. Und ausgerechnet Anna sollte es sein, sie, die die Natur und Freiheit so liebte.

 

So stand Anna mit zarten 15 Jahren eines Tages, mit ihren Eltern, nachdem sie sich Zuhause von ihren Geschwistern verabschiedet hatte, vor dem Kloster, das ihr mehr als steinernes Schloss vorkam. Gross und mächtig ragt da ein gezackter Turm in die Höhe und eine mächtige Türe öffnet sich, nachdem Vater die Glocke die da hing geläutet hatte.

 

Eine Frau ganz in schwarz, von der man nur das Gesicht sah, trat heraus und begrüsste sie. Diese Frau in schwarz, war nicht gerade das was Anna jetzt zur Beruhigung gebraucht hätte, denn die Tränen standen ihr schon in den Augen. Ohne weitere Worte wurden sie in ein Kämmerchen geführt, wo sie warten mussten. Nunmehr verängstigt mit wässrigen Augen, und wie in Trance vollzog sich nun der Eintritt ins Kloster und die Verabschiedung der Eltern.

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit, fand Anna sich in einer kleinen spartanisch mit Tisch, Bett, Schrank und Betschemel ausgestattetem Kämmerchen wieder. Da sitzt sie nun, alleine, an einem fremden Ort, und weiss nicht wie ihr geschieht.

 

Nach einer sehr unruhigen und kurzen Nacht, wird Anna geweckt und angewiesen sich in der Küche einzufinden. Hier verrichtet Anna nun während ihres Postulats ihren Dienst.

Nach zwei Jahren, im Alter von 17 Jahren, beginnt für Anna das Noviziat. In diesem Jahr wird ihr eine ältere, zum Glück für sie, eine mütterliche Schwester zur Seite gestellt. Sie verhilft Anna sich in die strengen Klosterregeln einzufügen. Auch beim Lernen der Regel, Bibel und bei der Ausbildung und Vorbereitung auf die zeitlichen Ordensgelübde ist ihr die Schwester behilflich, soweit es nötig ist. Auch dass sie nicht alleine sondern mit acht Anderen diese Lehrzeit verbringen kann, hilft ihr. Dem lebhaften Mädchen fällt es sehr schwer, sich einzufügen, vor allem das Schweigen bereitet ihr viel Mühe.

Inzwischen eingekleidet, mit dem weissen Schleier legte Anna anfangs Februar das zeitliche Ordensgelübde ab, und nimmt den Namen Agathe an. Es war insofern ein Freudentag für Anna, dass sie an diesem Tag, nach langen zwei Jahren, ihre geliebten Eltern und Geschwister, wieder sehen konnte. Nun beginnt für Agathe ein sehr schwieriges Jahr der Einkehr, des Kampfes und des Haderns. Es war nicht ihr Wille hier zu leben, lieber hätte sie die Welt und das Leben kennen gelernt. Doch von den Eltern zum Gehorsam erzogen, hatte sie sich in ihr Schicksal gefügt, was nicht bedeutete, dass sie nicht oft Zweifel überfielen. Glauben, ist für sie oftmals eine Tortur, der Seele und des Hirns.

Ein Jahr später, nach nicht enden wollendem Kampf mit sich, legt Agathe am 5. Februar dem Namenstag der Heiligen, einem wunderschönen Wintertag die Ewige Profess ab.

Dies alles und noch viel mehr, geht Agathe nun durch den Kopf, angesichts des bevorstehenden Festes. Sie hat sich eingefügt, hat ihre Dienste und Pflichten erfüllt. Sie wurde auch zufriedener und erfreute sich an der wunderschönen Natur. Und der Glaube, ja der Glaube, das ist so eine Sache. Gewiss, sie glaubt, doch gewisse Zweifel sind geblieben.

Auch an den Spruch; „Der Mensch denkt, und Gott lenkt“, erinnert sie sich. Er trifft wohl wie kein zweiter auf ihr Leben zu. Ein verschmitztes Lächeln huscht über ihr inzwischen mit Falten verziertes Gesicht, beim Gedanken an die Bedeutung ihres Namens Agathe. „Die Gute“

Plötzlich schreckt Agathe auf, denn eine Mitschwester, hatte sie leicht angestupst, da sie wohl sah, dass sie in Gedanken versunken war. Es war Zeit für die Vesper.

Diese Geschichte wurde von Daniel Coray erfunden
(per Mail am 9.4.2020 zugesandt)

 

 

 


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