Der Legende zufolge geriet Karl der Grosse nach seiner Krönung zum König der Langobarden auf dem Umbrailpass in einen Schneesturm und kam heil davon. Als Dank soll er das Kloster St. Johann gestiftet haben, wofür die Stuckstatue in der Kirche Zeugnis ablegt. Als Mönchskloster gegründet, ist es seit dem 12. Jahrhundert Frauenkonvent. Das Kloster war in seiner über 1200-jährigen Geschichte stets bewohnt.
Müstair ist das östlichste Dorf der Schweiz. Das gleichnamige Tal öffnet sich gegen den Vinschgau in Südtirol. Im Tal wird rätoromanisch gesprochen, der Ortsname Müstair heisst auf Deutsch Münster. Beide Formen leiten sich vom lateinischen „monasterium“ ab, was Kloster bedeutet. Das Kloster hat demzufolge dem Ort und dem Tal seinen Namen gegeben.
Das Kloster wurde in seiner über 1200-jährigen Geschichte nie völlig zerstört und immer nur partiell umgebaut. So präsentiert sich die Klosteranlage heute als ein Konglomerat von Gebäuden verschiedenster Baustile unterschiedlicher Epochen und Stile, die sich gut ineinander fügen. Die Kirche und die Heiligkreuzkapelle sind noch aus der Gründerzeit (8. Jahrhundert) erhalten. Der Plantaturm aus dem 10. Jahrhundert und die Bischofsresidenz aus dem 11. Jahrhundert sind nur einige architektonische Höhepunkte der Klosteranlage.
1983 wurde das Kloster St. Johann in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten aufgenommen. Damals war die Klosteranlage baufällig. Sr. Pia Willi, Priorin des Klosters von 1986 – 2013, erinnert sich, dass die Dächer damals undicht waren und die Nonnen bei Regen mehrere Eimer aufstellen mussten. Sie selbst, wie auch ihre Mitschwestern, waren erstaunt, dass ein solch baufälliges Kloster zum UNESCO-Welterbe erhoben wurde. Allerdings kümmerte sich bereits seit 1969 die Stiftung Pro Kloster St. Johann in Müstair für die Sanierung und den Erhalt der Anlage.
Ausschlaggebend für die Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste waren die Wandmalereien in der Klosterkirche. Es handelt sich um den grössten und besterhaltenen Freskenzyklus aus dem Frühmittelalter. Mit der Zeit und dank der archäologischen Forschung vor Ort wurden weitere Prunkstücke der Baugeschichte entdeckt: der Plantaturm als ältester Wohn- und Wehrturm im Alpenraum, die karolingische Heiligkreuzkapelle, die romanische Bischofsresidenz, um nur die wichtigsten zu nennen.